Mental Health: Depressionen und Social Media-Detox im Selbstversuch

Ich hänge stundenlang am Smartphone, habe mich von meiner Familie zurückgezogen. Es geht mir gar nicht gut. Schon seit drei Wochen bin ich in eine depressive Phase im Rahmen meiner bipolaren Erkrankung gerutscht. Ein Verdacht keimt in mir auf: Können eine exzessive Handynutzung und Depressionen miteinander zusammenhängen? Ein zu intensiver Social Media-Konsum vielleicht sogar Depressionen begünstigen? Da ich das Smartphone sowieso schon in der Hand halte, kann ich auch gleich mit der Recherche anfangen. Und ja: mein Verdacht bestätigt sich. Es gibt einen Zusammenhang. Depressionen können im Rahmen einer Social Media-Sucht auftreten oder durch sie verstärkt werden.(1)

Definition Social Media Sucht

Doch ab wann spricht man eigentlich von einer Social Media Sucht? Jugendpsychiater Rainer Thomasius (2) zufolge müssen drei Kriterien zutreffen, um von einer ausgeprägten Social Media-Sucht zu sprechen:

  1. Kontrollverlust über die Nutzungsdauer. Betroffene entwickeln einen sehr starken Drang, sich ständig mit sozialen Medien zu beschäftigen.

  2. Freizeit, Schule, Ausbildung/Studium, Beruf und andere Tätigkeiten werden sehr stark vernachlässigt.

  3. Zunehmende Priorisierung von Social Media gegenüber den übrigen Lebensinhalten

Zuviel Social Media und Mental Health: Keine gesunde Kombi

In unserer Gesellschaft stehe ich mit meiner exzessiven Handynutzung nicht alleine da. Doch sie belastet meine mentale Gesundheit, ich spüre es deutlich – und vielen Menschen geht es ebenso. Deswegen entscheide ich mich, dem Thema diesen Artikel zu widmen und zusätzlich eine Digital Detox-Kur zu starten.

App zur Kontrolle der Handy-Nutzung

Schon seit fünf Jahren habe ich eine kostenfreie App zur Selbstkontrolle meiner Handy-Nutzung installiert. Und tatsächlich überprüfe ich jeden Abend vor dem Zubettgehen meine Tagesdaten. Doch diese Konfrontation allein hat bisher nicht ausgereicht, um bei mir zu einer Verhaltensänderung zu führen. Es ist mir nicht möglich, allein durch die rationelle Erkenntnis, dass mir die viele Zeit in Social Media schadet und meine Depression womöglich verstärkt, weniger „am Handy zu hängen“. Was also tun? Zunächst analysiere ich die Nutzungsdaten der letzten 14 Tage genauer. Dabei stelle ich fest, das Facebook und Instagram, dabei vor allem die Pflege meines Accounts, meine großen Stressoren sind. 21 Stunden Instagram in 14 Tagen…

Wie schadet zu viel Social Media meiner mentalen Gesundheit?

Folgende Auswirkungen auf meine mentale Gesundheit kann ich beobachten:

  • Ich lasse mich durch das Handy häufig ablenken.

  • Meine Konzentrationsspanne ist deutlich vermindert.

  • Innere Nervosität: ich schaue zwischendurch am Smartphone nach, ob sich etwas getan hat.

  • Echte Quality Time (Buch lesen, Spazieren, Tagträumen etc.) kommt immer seltener vor.

  • Wegen der exzessiven Handy-Nutzung gehe ich oft zu spät ins Bett, was sich kontraproduktiv auf meine chronischen Einschlafstörungen auswirkt.

  • Mitunter fällt es mir enorm schwer, abends das Handy auszuschalten (für mich DAS Signal, dass eine Sucht vorliegt oder ich kurz davor bin).

Entscheidung für meine Social Media Detox-Kur

Es war eine schmerzhafte Erkenntnis, mir einzugestehen, dass meine Handynutzung zu exzessiv ist und ich womöglich sogar Social Media-süchtig bin. Doch durch sie erkannte ich: Ich will nicht länger durch ein elektronisches Gerät fremdbestimmt sein. Mit meiner intensiven Handynutzung, allen voran Instagram, schade ich meiner inneren Balance, meinem seelischen Wohlbefinden und damit meiner mentalen Gesundheit.

Neue Rahmenbedingungen für Handy-Nutzung definieren

Und so entscheide ich mich für den Digitalen Detox, direkt als ich abends im Bett liege. Ab sofort gibt es für mich neue Rahmenbedingungen für meine Handy- und Social-Media-Nutzung, die ich wie folgt definiere:

  • Bei Restaurantbesuch, im Kino oder beim Spaziergang bleibt das Smartphone zu Hause.

  • Ich aktiviere die so genannte „Wellnessfunktion“ meines Handys und definiere als maximale tägliche Nutzungsdauer 4:30h – für mich schon eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu rund 8 h (hüstel…) zuvor.

  • Push-Benachrichtigungen (Ausnahme WhatsApp) sind abgestellt.

  • Für Instagram und Facebook legte ich als Maximaldauer 45 Minuten fest, danach sind die Apps für den Rest des Tages gesperrt.

  • Über die Wellnessfunktion habe ich zudem eine Schlafenszeit von 20 Uhr bis 10 Uhr morgens eingestellt. Währenddessen sieht der Bildschirm dann sehr grau und müde aus, was mir zeigt, dass ich es eigentlich gar nicht benutzen will/sollte.

Und wie ging‘s weiter?

Wie es mit dem Social Media-Detox-Versuch weitergeht, ob womöglich Entzugserscheinungen aufkommen und wie sich die Detox-Kur auf ihre mentale Gesundheit auswirkt – all das könnt Ihr in der aktuellen Kolumne von Nora Hille bei femalExperts.com nachlesen 👉 https://femalexperts.com/social-media-mental-health-digital-detox-im-selbstversuch


Quellen:

1 https://hellobetter.de/blog/social-media-depressionen/ (Zugriff: 20.10.2023)

2 RTL News vom 6. Februar 2020 um 12:07 Uhr. „Erste Anzeichen und was Sie dagegen tun können. Woran erkenne ich, ob ich süchtig nach Social Media bin?“ Verfügbar unter: https://www.rtl.de/cms/woran-erkenne-ich-ob-ich-suechtig-nach-social-media-bin-4482399.html (Zugriff: 20.10.2023).

Nora Hille Weizen 2022 unbearbeitet

Über die Autorin

Nora Hille, Jahrgang 1975, verheiratet, zwei Kinder. Studium Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaften. 12 Jahre Arbeit im Bereich Kommunikation/PR. Aus gesundheitlichen Gründen verrentet. Schreibt als Betroffene und Erfahrungsexpertin zu den Themen mentale Gesundheit, psychische Erkrankungen und engagiert sich für die Anti-Stigma-Arbeit, also gegen die Stigmatisierung (Ausgrenzung) psychisch Kranker in unserer Gesellschaft für mehr Miteinander, Toleranz und Gleichberechtigung, unter anderem bei Mutmachleute e.V.. Veröffentlicht seit 2022 beim Online-Magazin femalExperts.com - Das Online-Magazin für Businessfrauen mit Ambitionen - als Kolumnistin monatlich zu Mental Health-Themen und ist Redakteurin der experimenta – dem Magazin für Literatur, Kunst und Gesellschaft. Außerdem verfasst sie literarische Essays, Gedichte und Kurzprosa.

Im Herbst 2023 erscheint ihr Buch „Wenn Licht die Finsternis besiegt” bei Palomaa Publishing. Ein Mutmachbuch darüber, wie man trotz bipolarer Erkrankung – und der enormen Herausforderung, die diese tagtäglich für die innere Balance Betroffener bedeutet – ein gutes und reiches Leben gestalten kann. Auf Instagram zu finden unter: @norahille_autorin