Treibt mich New Work in eine Erschöpfungsdepression? Folge 1

Corona, Krieg, Home-Office, Büro, Familie, Freunde, Social Media, das ist unser normaler Alltag. „Hilfe, das ist mir zu viel“ oder „Ich mach mal einfach weiter“- wo setzt du dein Kreuzchen? Sind sich Kopf und Bauch da einig? Wir möchten ergründen, was Menschen eher in die Gruppe der Erschöpften drängelt und welche Faktoren andere zum Felsen im Jobgetöse formen.

Agile, heile Welt …

New Work lebt von Kreativität, gegenseitiger Motivation, bunten Events und Aktionen. Flexibles Arbeiten, persönliche Weiterentwicklung, Einfluss und Gestaltung sowie Sinnhaftigkeit stehen im Zentrum des täglichen Tuns. Deine Faszination treibt dich und dein Thema voran, Anerkennung und Erfolg sind der schnurrende Antrieb für weitere Herausforderungen. Gerade diese intensiv gelebten Werte sorgen für psychisches Empowerment und damit für ein glückliches und erfülltes Leben. So energetisch aufgeladen, von Menschen umgeben, kletterst du auch über den einen oder anderen Ast oder Baumstamm, den dir das Leben in die Quere wirft.

… oder doch Überforderung

Wo es so gleißend hell und bunt zugeht, mehr Bildschirme als Lampen den Raum erhellen, da zeichnen sich auch Schatten ab. Soeben ist der Psychreport der DAK-Gesundheit erschienen, welcher die Daten von 2,4 Millionen Beschäftigten in Deutschland auf psychischen Erkrankungen hin untersuchte. Er offenbart einen weiteren bitteren Rekord für 2021. Besonders Depressionen, Anpassungs- und Angststörungen verursachten 276 Fehltage je 100 Versicherte, 39,2 Tage blieben sie dem Job fern. Das sind 41 % mehr Fehltage als 2011. Diese Zahlen beziehen sich auf alle Arbeitsformen, der Einfluss von neuen Arbeitsmodellen wird in diesem Bericht leider nicht dargestellt. Grundsätzlich ist der Arbeitsalltag von einer wachsenden Arbeitslast, Personalengpässen, Umstrukturierungen, Change Prozessen und höheren Anforderungen geprägt.

Das Außen -Job, Arbeitsumfeld, Mental Health

Seit 2013 vom Arbeitsschutzgesetz gefordert, vom Schmerz der vielen Fehltage angestachelt, wenden sich Unternehmen nun auch verstärkt der psychischen Gesundheit zu. Yogakurse, Obstkorb, Einzelcoaching mit freier Themen- und Coachwahl sind ein Schritt in die richtige Richtung, indem sie Angebote schaffen. Möglichkeiten sich selbst zu reflektieren, aber auch mit der Gefahr gespickt, neue Selbstoptimierungs- und bessere Coping-Strategien aufzuspüren, die Druck erzeugen können, um noch besser zu performen.

Coaching und Leadership – Verantwortung für die Mitarbeiter:innen

Moderne Leadershipausbildungen operieren auf der Hormonebene, indem sie Befinden und Verhalten auf Reize und Hormonausschüttungen zurückführen. Erweckt der Mitarbeiter z. B. einen niedergeschlagenen Eindruck, spricht das für einen Serotoninmangel der motivierendes und ermutigendes Eingreifen nach sich zieht.

Dass Hormone zu Emotionen und zum Burnout beitragen, ist unbestritten, ob die Führungskraft der Komplexität des Hormonhaushalts mit dem Methodenkoffer aus einer Weiterbildung gewachsen ist, wird sich zeigen.

Hilfreicher ist es, den Blick von den Symptomen zu den Ursachen zu wenden. Lauern die Gefahren nicht eher in einem höher, schneller, weiter, erfolgreicher, getrieben durch die Euphorie und das Empowerment auf der Themenebene? Wo bleiben Wertschätzung, Empathie, gegenseitige Unterstützung und ein Schutz vor 7/24? Das Zauberwort ist Firmenkultur, ein Wort, welches leider schon längst den Zauber verloren hat und eher zum Unwort mutiert. Wie immer wir es nennen, es sollte dazu dienen sich auf individuelle und gemeinsame Werte zu besinnen, sodass Formen der modernen und freiwilligen (Selbst-)Versklavung, Überforderung und aus unserem Alltag verschwinden.

Das Innen – Resilienz-Muskeltraining für mehr Belastbarkeit

Schleichend werden die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, ehe sie in eine Erschöpfungsdepression münden. Schauen wir genauer hin und sind wir ehrlich mit uns selbst. Einen schlechten Tag kennen wir alle, aber wissen wir auch wie voll unsere Batterien im Moment sind? Bei welchem Ladelevel ist die rote Linie? Wie schnell bin ich wieder einsatzbereit? Bewusst Grenzen wahrnehmen ist ein erster Schritt, um Ängsten oder depressiven Verstimmungen frühzeitig den Saft abzudrehen. Über längere Zeit im Bett wälzen, ohne Schlaf zu finden und müde am Schreibtisch zu sitzen, ist der Anfang. Wenn die Tränen schneller und häufiger kullern, wenn wir Kotzen bevor wir auf dem Weg ins Büro sind, Panikattacken uns Heim suchen, dann ist die Klinik nicht mehr fern. Achtsam Rückschau zu halten, welche Schwierigkeiten und Stresssituationen du schon gemeistert hast, Stärken zu erkennen und sie in Ressourcen zu verwandeln trainiert unsere Resilienz.

Das Umfeld – Wo wir herkommen

Nur wenig prägt uns so stark, wie unsere Herkunft und Sozialisierung. Mit der Muttermilch werden die ersten Glaubenssätze aufgesogen, die Ausdauer, Fleiß, Leistung, „immer das Beste zu geben“ anheizen. Es überrascht nicht, dass diese Werte besonders in den preußisch dominierten Gegenden in den Familienalltag einflossen und zum Teil heute noch wenig hinterfragt fortbestehen. Disziplin, Angst vor Enttäuschung und der oder die Beste sein zu WOLLEN sind die persönlichen Treiber in die Selbstausbeutung. Was früher Kälte, Wind und raue Bedingungen waren oder Charlie Chaplin im Film „Modern Times“14 Stunden lang Schrauben festdrehen ließ, stand in fremder Verantwortung. Inwieweit der Arbeitstag in unseren Alltag fließt, unser Seelenleben durchdringt und Grenzen verwischt, dafür dürfen und müssen wir heute selbst Sorge tragen.

Das Fazit und Wo wir hingehen

Ziele und Visionen motivieren uns zu wachsen. Begeisterung, erkannte und wahrgenommene Chancen katapultieren uns in spannende neue Projekte und auf Erfolgskurs. Je mehr dich interessiert, je mehr du anstößt, umso schneller wächst die Anzahl deiner Rollen. Im Rausch des Aufschwungs ignorieren wir den stetig wachsenden Druck, den wir, ganz ehrlich, nur bis zu einem gewissen Level spielerisch meistern können. Stopp, aber hier ist Engagement und Verantwortung gefragt, als Person, als Team, als Firma und Community, damit wir nicht in die Erschöpfungsdepression rennen.


In Folge 2 gibt es das „Das Rezept zum Ausprobieren“, 5 praktische Tipps, um nicht in eine Erschöpfungsdepression zu laufen.

Annett Lossack

Über die Autorin

Annett Lossack ist im REDEZEIT FÜR DICH Blogteam und als Zuhörerin für alle Sorgen rund um Job, Familie und Zukunft da.

Als Coach und Schwunggeberin unterstützt sie Menschen dabei, die Hürden des Lebens zu überspringen und hilft das Glück wiederzuentdecken. Worte sind Schlüssel für unentdeckte Türen, ihre Texte sind der Zugang zu neuen Informationen und öffnen neue Denk- und Lebensräume.